Dichtertaste und Denkmaschine: Peter Rosegger und die Schreibmaschine

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Hin und wieder durchforsten wir den längst vergangenen Blätterwald und stossen auf historische Zeitungsartikel, welche die p.t. LeserInnen unseres Blogs interessieren dürften.  

Heute geben wir einen im am 11. August 1913, S. 7, im “Montagsblatt aus Böhmen” zu Prag erschienen Artikel zu “Rosegger und die Schreibmaschine” wieder. Aus diesem erschliesst sich, wie Peter Rosegger zur Schreibmaschine fand, und was eine Art Vorläufer der Paparazzi damit zu tun haben. Frohe Lektüre zu wünschen!

[Originaltext. Absätze und Hervorhebungen eingefügt]

“Dass Peter Rosegger Eigentümer einer Schreibmaschine, ja sogar ein gewandter flotter Maschinenschreiber ist, wissen nur seine Getreuesten und eine Reihe von – Autographensammlern.

Das grosse Publikum, das den steirischen Volksdichter nur aus seinen Werken kennt, wird unwillkürlich die Dissonanz empfinden, die zwischen Rosegger und einer Schreibmaschine besteht. Es braucht sich nur an die “Schriften eines Waldschulmeisters” zu erinnern. Wer vollends einmal Gelegenheit hatte, dem jetzt Siebzigjährigen in das stille, beseelte Antlitz zu blicken und im Sonnenfrieden seiner warmherzigen persönlichen Art auszuruhen, der muss sich aufs seltsamste angemutet fühlen, wenn er den schlichten und vornehmen Menschen und Dichter mit dem lauten Mechanismus einer Schreibmaschine in Einklang bringen soll. Unbegreiflich aber wird ihm die Tatsache sein, dass Rosegger sogar mit einer wahren Wonne auf den Tasten der von ihm spielend erlernten Maschine herumrast. Und seine Verwunderung dürfte den höchsten Grad erreichen, wenn er erfährt, dass es im Grunde nur die Autographensammler gewesen sind – diese übelbeleumundete Freibeutergesellschaft – die dem geduldigen Poeten mit ihrem lüsternen Handschriftenhunger in den letzten Jahren immer mehr zusetzten, bis er sich endlich, um sich zu retten, kurz entschlossen – zur Schreibmaschine bekehrte.

Im Juli des Jahres 1909 hat sich der Altmeister einmal über die kuriose Geschichte geäussert. “Mein Lebtag” – so schrieb er – “habe ich nichts so leicht und schnell gelernt als das Schreiben auf der Schreibmaschine. Ich habe mir bei meinem Schreibzeugvetter Jamnik in Graz eine Maschine angeschafft, vorwiegend zu dem Zwecke, um die Autographensammler zu befriedigen. Eine halbe Stunde guckte ich daran herum und versuchte die unterschiedlichen Tasten und Hebelchen. Dann begann ich zu typen [sic] und – konnte es. Weiteres ist Sache der Übung. Wie ein so kompliziertes Werk so einfach zu behandeln sein kann!

Wenn der Geist, der im Schreibwerk waltet, nur nicht etwa im Geschriebenen ausbleibt! Denn trotz der sonst vollkommenen Einrichtung dieser besonders bei Geschäftsleuten beliebten Maschine fehlt eine Taste. Die Dichtertaste. Schreiben tut sie, aber dichten tut sie nicht. Hingegen ist sie eine sehr strenge Lehrmeisterin. Nicht einen einzigen Fehler lässt sie durchgehen, jeden verewigt sie und macht sich manchmal noch darüber lustig. Da hiess es aufpassen.

Den zweiten Tag aber durfte ich schon ein wenig gedankenlos sein und die Buchstaben kamen richtig. Heute darf ich ganz gedankenlos sein, die Buchstabenreihe wird korrekt. Ist das nicht eine ausgezeichnete Erfindung?

Jetzt fehlt nur noch die Denkmaschine. Die wird auch noch kommen; sagen doch die Gelehrten, dass das Denken etwas mechanisches sei. Und die werden es ja wissen.””

Soweit das “Montagsblatt”, dessen Beitrag schon allerhand Interessantes zu Tage fördert. Nun bleibt aber speziell für die schreibmaschineninteressierten LeserInnen doch eine Frage offen: welches Schreibmaschinenmodell benutzte Herr Rosegger? Dies beantwortet uns glücklicherweise ein einige Jahre früher erschienener Beitrag in der Zeitung “Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten”. Die betreffende Notiz in der Ausgabe vom 21. Juli 1909 schöpft aus derselben Quelle wie der oben wiedergegebene Artikel, nämlich den im Juli 1909 in der von Rosegger selbst herausgegebenen Zeitschrift “Der Heimgarten”. 1 “Der Heimgarten” steht uns leider nicht zur Verfügung, sowohl das “Montagsblatt” als auch der “Arbeiterwille” zitieren aber Rosegger im Original. Die Zitate sind textgleich, jedoch mit einem Unterschied: während das “Montagsblatt”, s. oben, Rosegger mit “[ich] habe mir bei meinem Schreibzeugvetter Jamnik in Graz eine Maschine angeschafft” zitiert, liest man im “Arbeiterwille” wie folgt: “[ich] habe mir bei meinem Schreibzeugvetter Jamnik in Graz eine Underwood angeschafft”.

Woher die Diskrepanz dieses einen Worts bei ansonstiger Textgleichheit über das gesamte Zitat rührt, bleibt das Geheimnis der Redaktion im Prager “Montagsblatt”, und wird es im Hinblick auf über 100 verflossene Jahre wohl auch bleiben.

Peter Rosegger “typte” somit auf einer Underwood Schreibmaschine. Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf seinen “Schreibzeugvetter”- welch schönes rares Wort – Jamnik in Graz. 

Es handelt sich um die 1860 2 gegründete Firma Franz Jamnik, Kunst- und Papierhandlung, Hauptplatz 16, im Zentrum von Graz. Schon früher Generalvertreter für Hammond Schreibmaschinen 3, hatte die Firma Jamnik im Jahr 1900 vom Generalvertreter Nestler & Roesler in Wien die Underwood Vertretung für die Steiermark erhalten.  

Wir hoffen, Ihnen einige vergnügliche Minuten bereitet zu haben.

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Notes:

  1. Vgl. Wien Geschichte Wiki, Der Heimgarten, online auf https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Der_Heimgarten (abgerufen am 7. Oktober 2017)
  2. Karlpeter Ellis, Steirische Druckgeschichte, auf: Druckmuseum, URL: http://druckmuseum.elis-management.com/druck-steiermark.htm (abgerufen am 9. Oktober 2017)
  3. Vgl. Grazer Tagblatt vom 15. März 1898