Sabb Schreibmaschine

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Sabb # 11457, Sammlung G. Sommeregger 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016

Die Sabb ist eine italienische Kleinschreibmaschine und wurde von den späten 1920er bis zu Beginn der 1930er Jahre hergestellt. Sie wurde aus der Juventa Kleinschreibmaschine entwickelt und ist Teil der grossen lombardischen Schreibmaschinentradition der Everest.

Die Sabb und ihre Vorgänger

Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016

“Sabb” ist einerseits die Abkürzung der Herstellerfirma Societa Anonima Brevetti Brasa, andererseits  der Name der hier vorgestellten Schreibmaschine selbst. Die Firma SABB (hier in Grossbuchstaben geschrieben analog dem Aufkleber auf der Papierstütze) wurde in den 1920er Jahren gegründet. In Wirklichkeit schreibt sie sich aber in der Kontinuität ihrer Vorgängerfirma S.A.I.D., sowie der Nachfolgefirma Serio S.A. (Marke Everest) ein.

Die Juventa der S.A.I.D.

S.A.I.D. steht für S.A. (società anonima) Industria Dattilografica. 1 Diese in der 26, via Friuli in Mailand angesiedelte Firma 2 brachte in den 1920er Jahren die Schreibmaschine “Juventa” auf den Markt. 3 Ob dies nun 1922 oder 1925 der Fall war – beide Angaben finden sich bei Ernst Martin. 4

Ernst Martin beschreibt diese wie folgt: “Sie war zuerst als sogenannte private Maschine, d.h. die Maschine für Privatleute gedacht. Sie hatte infolgedessen nur eine Walzenbreite von 185 mm. […] Es wurde ab 1926 eine grössere Maschine für normalbreites Papier hergestellt […]. Das kleinere Modell schrieb 78, das grössere 84 Zeichen, beide waren dreireihig. Randsteller, Zeilensperrung mit Glocke, Umschaltefeststeller. Das Gestell bestand aus einer Aluminiumlegierung, die Maschine wog nur 3,5 kg. Es war nichts daran genietet, alles durch Schrauben regulierbar.5

Juventa # 8954, G. Fernandez Boas collection 2016, photo © R. Polt @ writingball.blogspot.com
Juventa # 8954, G. Fernandez Boan collection 2016, photo © R. Polt @ writingball.blogspot.com

Oben sehen wir eine Juventa mit der Seriennummer 8954 aus der Sammlung von G. Fernandez Boan. Sehr schön zu sehen ist der Name der Herstellerfirma, “SOC. ANONIMA S.A.I.D. – MILANO – ITALIA”. Weiter trägt sie die Modellnummer 2. Burghagens Liste erwähnt ein Modell 3 beginnend 1926. 6

Als produzierte Maschinen nachgewiesen sind Modell 2 und Modell 5 7.

Verkauft wurde die Juventa nach Ernst Martin auch unter den Namen Agar, Agar-Baby, Ardita, Diadema und Fidat. 8

Agar Baby. Quelle: Ernst Martin, Die Schreibmaschine, 1949
Agar Baby. Quelle: Ernst Martin, Die Schreibmaschine, 1949

Neben Exemplaren in klassischem Schwarz wurde auch eine Juventa in rot gemeldet. 9

Für das Jahr 1927 ist noch eine Verkaufsanzeige für die Juventa bekannt. 10 Nach Burghagens Liste lief die Juventa bis 1928. 11

Italo Brasa

Am 18. Februar 1924 12 meldete der Ingenieur Italo Brasa (Vornamen Nachnamen) in Italien und im Februar 1925 in mehreren anderen Ländern ein Patent für einen Schreibmaschinenwagen an. 13

Über Italo Brasa ist aus besagten Patenten bekannt, dass er Italiener war, Ingenieur von Beruf, wohnhaft in dieser Zeit in der 22, Corso Vittorio Emanuele in Mailand. Es ist anzunehmen, dass er der führende Ingenieur und Namensgeber der späteren Firma “Brevetti Brasa”, übersetzt in etwa “die Patente von Herrn Brasa”, war. Über die Besitzverhältnisse der Sabb ist mir nichts bekannt.

Die Aufschrift auf vorhandenen Maschinen gibt präzise Nachweise von weiteren Patenten. Leider konnte ich diese nicht im Internet ausfindig machen, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Sehen wir uns aber diese Referenzen genauer an.

Patente zu Juventa und Sabb

Auf einer Juventa, und hier sei einem ebay Verkäufer für die schönen Fotos gedankt, finden wir folgende Patente aufgelistet: “18.2.1924 228300 / 18.2.1924 228301 / 18.2.1924 228302”. 14 Drei Patente am selben Tag. Es ist derselbe 18. Februar 1924, auf den das oben genannte US-Patent Bezug nimmt.

Nun finden wir die Patentnummern 228300, 228301 und 228302 ebenfalls auf den Sabb Maschinen. Dies belegt die Entwicklung der Sabb aus der Juventa heraus, beziehungsweise die Juventa als Grundlage für die Sabb.

Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016

Zusätzlich sind auf Sabb Maschinen folgende Patentnummern aufgeführt: 902925, 237180, 246266, 114922, 583989, sowie 9637/25 (in dieser Reihenfolge). 15

Somit ist eine Kontinuität, mit vielen Neuerungen, von der Juventa zur Sabb ablesbar.

S.A. Brevetti Brasa und die Sabb

Sabb. Quelle: Ernst Martin, Die Schreibmaschine, 1949
Sabb. Quelle: Ernst Martin, Die Schreibmaschine, 1949

Ernst Martin berichtet weiter: “Später änderte die Fabrik ihren Firmenwortlaut in S.A. Brevetta Brassa [recte: S.A. Brevetti Brasa] und verlegte die Fabrikation nach 20, via Cirene, später nach 17, via C. Farini, Mailand. Die Maschine wurde von da ab Sabb genannt und war verbessert.16

Danach ist die Firma S.A.B.B. eine Fortführung der S.A.I.D.. Die zugehörige Schreibmaschine wurde unter dem neuen Namen Sabb verkauft. Als Namensvariante bekannt ist mir Merkur. 17

Nach Ernst Martin ist die Sabb gegenüber der Juventa “verbessert”. Ob die letzten Exemplare der “Juventa” schon der “Sabb” gleichen, gilt es herauszufinden.

Auf den bekannten Exemplaren findet sich meistens die folgende Aufschrift am Vorderrahmen: “SOC. AN. BREVETTI BRASA – MILANO (ITALIA)”, sowie, umkreist, “M28” oder “M30”.

An Farben sind neben dem klassischen Schwarz auch rote Exemplare bekannt. 18

Burghagens Liste gibt 1928 für den Beginn der Sabb-Produktion an. 19

Verkauft wurde die Sabb auch im Ausland. Für die Schweiz ist eine Werbeanzeige aus dem Jahr 1930 bekannt, in der die Sabb übrigens 250 Franken kostete. 20 Sie konnte auch für monatlich 20 Franken gemietet werden.

Diesen oder einen ähnlichen Weg muss die hier gezeigte Sabb Maschine genommen haben. Sie hat eine deutsche Tastatur. Gefunden habe ich sie in Basel.

Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016. “GR.B.” für Grossbuchstaben und “ZIFF.” für Ziffern.
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016

Nach Burghagens Liste endete die Produktion der Sabb im Jahr 1930. 21

Auf einem späten Sabb Exemplar findet sich eine geänderte Aufschrift. Wir lesen “MILANO – OFFICINE MONDIAL – CREMA”. 22 Dies ist sehr interessant, da sich hier eine Verbindung zum Nachfolgemodell, der später als Everest bekannten Maschine, zeigt.

Von der Sabb zur Everest

Im Jahr 1931 kam die Nachfolgemaschine der Sabb, die vierreihige Everest Kleinschreibmaschine, auf den Markt. 23 Es gibt einen Hinweis darauf, dass die ersten Exemplare dieser vierreihigen Maschine unter dem Namen “Mondial” verkauft wurden. 24

Everest. Quelle: Ernst Martin, Die Schreibmaschine, 1949
Everest. Quelle: Ernst Martin, Die Schreibmaschine, 1949

Mit der “Everest” wurde eine jahrzehntelang erfolgreiche Schreibmaschinenproduktion zwischen Mailand und Crema begründet, übrigens nicht ohne Schweizer Beteiligung (davon an anderer Stelle mehr).

Mehr Sabbs im Netz

Dank

Mit vielem Dank an M. Elster (plustype.de), T. Fürtig, G. Fernandez Boan und R. Polt.

© typewriters.ch 2016
created 3.6.2016 - last update 20.6.2020

Notes:

  1. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 316. Verschiedentlich wird der Name auch als Società anonima Industrie Dattilografiche angegeben, also im Plural.
  2. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 316.
  3. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 316.
  4. 1925 zunächst in: Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, 5. Auflage 1934, S. 755, sowie in: Fabriknummernverzeichnis. Daten zur Altersermittlung von Schreibmaschinen. Beilage zu: “Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte”,  3. Auflage 1939; sodann 1922 in: Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 316.
  5. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 316 f.
  6. H.F.W. Schramm, Liste der Herstellungsdaten deutscher und ausländischer Schreibmaschinen, 11. Auflage 1962
  7. # 13705, angeschrieben am vorderen Rahmen als “JUVENTA STANDARD”, Schreibmaschinenmuseum Peter Mitterhofer, Partschins
  8. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 316
  9. R. Polt in: ETCetera, No. 87, September 2009, S. 2. Das Exemplar ist mit “Corona” angeschrieben.
  10. Mit 1927 datierte Anzeige der Juventa durch die Firma Carl Kühnke, Berlin, in: Leonhard Dingwerth, Historische Schreibmaschinen-Anzeigen. Quellen der Geschichte. 1880–1959, [Eigenverlag] 2000
  11. H.F.W. Schramm, Liste der Herstellungsdaten deutscher und ausländischer Schreibmaschinen, 11. Auflage 1962
  12. Angabe 18. Februar 1924 in US1620942.
  13. Bekannt sind mir: CH114922 vom 1. Mai 1926 (beantragt 17. Februar 1925), Italo BRASA, Macherio (Milano, Italia), Carello per macchina da scrivere; GB237180 vom 23. Juli 1925 (beantragt 21. Februar 1925), Improvements in or connected with Carriages for Typewriters; US1620942 vom 15. März 1927 (beantragt 16 Februar 1925), Italo Brasa, of Milan, Italy, Typewriter.
  14. Juventa, ebay, Juni 2016. Identische Referenzen auf Juventa # 8954 aus der Sammlung G. Fernandez Boan, URL: typewriterdatabase.com (abgerufen am 13. Juni 2016)
  15. Sabb # 11457, Sammlung typewriters.ch 2016
  16. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 317.
  17. Abbildung der Merkur von Arthur Frehner in Michael Adler, Antique Typewriters. From Creed to QWERTY, Schiffer Publishing, 1997, p. 150.
  18. Etwa # 11336, Sammlung S. Beck 2016
  19. H.F.W. Schramm, Liste der Herstellungsdaten deutscher und ausländischer Schreibmaschinen, 11. Auflage 1962
  20. Leonhard Dingwerth, Historische Schreibmaschinen-Anzeigen. Quellen der Geschichte. 1880–1959, [Eigenverlag] 2000
  21. H.F.W. Schramm, Liste der Herstellungsdaten deutscher und ausländischer Schreibmaschinen, 11. Auflage 1962
  22. # 11995
  23. Ernst Martin, Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte, Aachen 1949, S. 317.
  24. Nino Antonaccio, in: Nino Antonaccio, Le origini della società Serio, in: Antonaccio / Carelli / Dasti / Marazzi / Marazzi / Parati, dall’Everest all’Olivetti. dalle “machinète” alla prima macchina da scrivere elettronica del mondo, Crema 2002–2003, S. 19, gibt diese Information aus einem Werbefolder der Everest wieder.